Samstag, 16. Mai 2015

Hippogryph

Das ist ein Flügelpferd mit Silberschellen,
Das heitere Gesellen
Empor hebt über Heidekraut und Klüfte,
Dass durch den Strom der Lüfte,
Die um den Reisehut melodisch pfeifen,
Des Ernsts Gewalt und Torenlärm der Schlüfte
Als Frühlingsjauchzen nur die Brust mag streifen;
Und so im Flug belauschen
Des trunknen Liedergottes rüstge Söhne,
Wenn alle Höhn und Täler blühn und rauschen,
Im Morgenbad des Lebens ewge Schöne,
Die, in dem Glanz erschrocken,
Sie glühend anblickt aus den dunklen Locken.

Joseph von Eichendorff

Spirit of Nature
von Marie (Dragon Fly)

Feuerfarb

a  Ich weiss eine Farbe, der bin ich so hold,
a  die achte ich höher als Silber und Gold;
b  die trag' ich so gerne um Stirn und Gewand,
b  und habe sie Farbe der Wahrheit genannt.

c  Wohl reizet die Rose mit sanfter Gewalt;
c  doch bald ist verblichen die süsse Gestalt:
d  drum ward sie zur Blume der Liebe geweiht;
d  bald schwindet ihr Zauber vom Hauche der Zeit.

e  Die Bläue des Himmels strahlt herrlich und mild;
e  drum gab man der Treue dies freundliche Bild.
f  Doch trübet manch Wölkchen den Äther so rein;
f  so schleichen beim Treuen oft Sorgen sich ein.

g  Die Farbe des Schnees, so strahlend und licht,
g  heisst Farbe der Unschuld; doch dauert sie nicht.
h  Bald ist es verdunkelt, das blendende Kleid,
h  so trüben auch Unschuld Verleumdung und Neid.

i  Und Frühlings, von schmeichelnden Lüften entbrannt,
i  trägt Wäldchen und Wiese der Hoffnung Gewand.
j  Bald welken die Blätter und sinken hinab:
j  so sinkt oft der Hoffnungen liebste in's Grab.

k  Nur Wahrheit bleibt ewig, und wandelt sich nicht:
k  sie flammt wie der Sonne allleuchtendes Licht.
l  Ihr hab' ich mich ewig zu eigen geweiht.
l  Wohl dem, der ihr blitzendes Auge nicht scheut!

m  Warum ich, so fragt ihr, der Farbe so hold,
m  den heiligen Namen der Wahrheit gezollt? -
n  Weil flammender Schimmer von ihr sich ergiesst,
n  und ruhige Dauer sie schützend umschliesst.

o  Ihr schadet der nässende Regenguss nicht,
o  noch bleicht sie der Sonne verzehrendes Licht:
p  drum trag' ich so gern sie um Stirn und Gewand,
p  Und habe sie Farbe der Wahrheit genannt.


Sophie Mereau-Brentano, 1796

Sophie Mereau-Brentano gehört zusammen mit Karoline von Günderrode zu den Frauen der Romantik. Als Dichterin, Herausgeberin und Übersetzerin war sie so erfolgreich, dass sie eine Zeit lang von ihrer Arbeit leben konnte – eine Ausnahme in dieser Zeit.

Das Gedicht Feuerfarb besteht aus acht Strophen mit je vier Versen. Das Metrum ist regelmässig; 4-hebige Daktylen, die bewegend wirken und männliche Kadenzen.  Die harmonischen Paarreime stellen eine schlichte Ausdrucksform dar und beim Lesen ergibt sich ein ganz bestimmter Rhythmus.

Die flammende Wahrheit

Die Wahrheit spielt die zentrale Rolle in diesem Gedicht. Sophie Mereau-Brentano assoziiert die Wahrheit mit der Farbe feuerfarben. Die strahlende und brennende Wärme dieser Farbe des Feuers schmerzt und zerstört - und wärmt und schützt zugleich, es ist und ist doch nicht greifbar. Die Wahrheit ist kostbarer als die wertvollen Farben Gold und Silber (Vers 2). Die Farbsymbolik kommt auch in Strophe 4 vor; Farbe Weiss (Reinheit und Unschuld), doch die Unschuld ist nicht beständig.

Das Gedicht beinhaltet einen Kehrreim (Strophe 1, Vers 3/4 und Strophe 8, Vers 3/4), die Farbe der Wahrheit ist das Anfang und das Ende des Gedichts, was zeigt dass die Wahrheit immer da ist, egal was in der Zwischenzeit geschieht. Sie ist das immerwährende Feuer und leuchtet zu jeder  Jahreszeit; unlöschbar. Die Wahrheit ist mit Freiheit und Liebe verbunden, für Mereau braucht es beides. Sie empfand die Wahrheit immer wenn sie in der Natur war, diese übermittelte ihr ein Gefühl der Wahrhaftigkeit. In der Natur kann sich der Mensch selbst finden und auch die eigene Wahrheit entschleiern.

(Bild folgt)

Das Gedicht stammt aus dem Video...
Feuerfarb-Sophie Mereau, Rezitation: Daniel Jankowski, 2010

Die Nachtblume

Nacht ist wie ein stilles Meer,
Lust und Leid und Liebesklagen
Kommen so verworren her
In dem linden Wellenschlagen.

Wünsche wie die Wolken sind,
Schiffen durch die stillen Räume,
Wer erkennt im lauen Wind,
Ob's Gedanken oder Träume? -

Schliess ich nun auch Herz und Mund,
Die so gern den Sternen klagen:
Leise doch im Herzensgrund
Bleibt das linde Wellenschlagen.


Joseph von Eichendorff 

Freitag, 15. Mai 2015

Lied

a  In meines Herzens Grunde,
b  Du heller Edelstein,
a  Funkelt all Zeit und Stunde
b  Nur deines Namens Schein.
c  Erfreuest mich im Bilde
d  Mit Spiel und leichtem Scherz,
c  Rührend so süss als milde
d  Mir an das wilde Herz.
    
e  Über Berge seh  ich ziehen
f  Dein jugendlich Gestalt,
e  Doch, wie die Wolken fliehen,
f  Das Bild vorüberwallt;
g  Es führt mich fort durch Wiesen
h  Weit ab in Tales Grund,
g  Doch wenn ich‘s will geniessen,
h  Zerfliesset es zur Stund.
   
i Ich will dich nicht umfassen,
Nur fliehe nicht von mir.
Das Bild kann ich nicht lassen,
Noch lässt es auch von mir.
Bei dir nur ist gut wohnen,
Drum ziehe mich zu dir.
Endlich muss sich doch lohnen
Schmerz, Sehnsucht und Begier.

Bringt jeder Tagesschimmer
Doch neuer Hoffnung Schein,
Und schreibt uns beid' noch immer
Ins Buch des Lebens ein.
Drum lass mich vor dir grünen,
Und leben froh und frei.
Gerne will ich dir dienen,
Dass treu dein Herze sei.

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, 1802

Schelling gilt als der wichtigste Philosoph des Deutschen Idealismus. Die Kunst war für Schelling die höchste Ausdrucksform des Geistes, die sogar der Philosophie überlegen ist. Er veröffentlichte auch einige wenige lyrische Texte, die der Romantik zuzuordnen sind. Die Gedichte stehen in engem Zusammenhang mit seiner Naturphilosophie, die aussagt, dass die Natur vom Geist geprägt ist. Das Ziel ist die harmonische Einheit beider.

Das Gedicht Lied besteht aus vier Strophen mit je acht Versen. Es beinhaltet 3-hebige Jamben, die beruhigend wirken und abwechselnd männliche und weibliche Kadenzen. Die rhythmischen Kreuzreime führen einem durch dieses harmonische lyrische Stück.

Der unerreichbare Edelstein 

In der ersten Strophe findet sich das Symbol des Edelsteins (Vers 2), der in der Seele des lyrischen Ichs leuchtet und ihm positive Emotionen vermittelt. Ein Edelstein stellt Kostbarkeit dar. Nachdem das lyrische Ich den Edelstein erblickt hat, folgt es seinem Schein durch die Natur, doch der undefinierbare Edelstein bleibt für das lyrische Ich ungreifbar (Strophe 2). Das lyrische Ich will das kostbare Juwel aber gar nicht in seinen Besitz bringen, es fühlt nur die Sehnsucht nach ihm (Strophe 3). Doch das lyrische Ich spürt Hoffnung, es sichert dem Edelstein zu, dass es ihm immer dienen wird (Strophe  4). Die Unerreichbarkeit ist Tatsache, dennoch entschliesst sich das lyrische Ich sein Leben lang treu zu bleiben.

Das Gedicht könnte als typischer Reim einer unerfüllten Liebe dargestellt werden, es steht aber wahrscheinlich im Zusammenhang mit Schellings Philosophie der Natur (Sehnsucht des lyrischen Ichs nach der harmonischen Zusammenführung von Natur und Geist).

(Bild folgt)

Das Gedicht stammt aus dem Buch...
Lyrik der Romantik: Interpretationen zu 17 wichtigen Werken der Epoche, 1. Auflage 2012, Hollfeld

Freitag, 1. Mai 2015

Die Nacht

Wie schön, hier zu verträumen
Die Nacht im stillen Wald,
Wenn in den dunklen Bäumen
Das alte Märchen hallt.

Die Berg im Mondesschimmer
Wie in Gedanken stehn,
Und durch verworrne Trümmer
Die Quellen klagend gehn.

Denn müd ging auf den Matten
Die Schönheit nun zur Ruh,
Es deckt mit kühlen Schatten
Die Nacht das Liebchen zu.

Das ist das irre Klagen
In stiller Waldespracht,
Die Nachtigallen schlagen
Von ihr die ganze Nacht.

Die Stern gehn auf und nieder -
Wann kommst du, Morgenwind,
Und hebst die Schatten wieder
Von dem verträumten Kind?

Schon rührt sichs in den Bäumen,
Die Lerche weckt sie bald -
So will ich treu verträumen
Die Nacht im stillen Wald.

Joseph von Eichendorff

Donnerstag, 30. April 2015

Die Romantik

„Romantisch“ bedeutete anfänglich so viel „fantasievoll“, oder „erfunden“. Erst Friedrich Schlegel (1772-1829) aus der Frühromantik, brachte den Begriff in Zusammenhang mit der Dichtkunst. Versucht man eine zeitliche Eingrenzung der Epoche, fällt einem auf, dass die Romantik von anderen literarischen Strömungen begleitet und überlagert wird, z.B. von der Literatur der Klassik.

Die Romantik wird in drei Phasen untergegliedert:

Frühromantik (Jenaer Romantik) ca. 1797-1805 in Jena, Berlin
Hochromantik (Heidelberger Romantik) ca. 1805-1820 in Heidelberg, Berlin
Spätromantik (Schwäbische Romantik) ca. 1820-1850 in Dresden, Schwaben, München, Berlin

Die Wirklichkeit der Industrialisierung und der Revolutionierung wurde von den Dichtern und Schriftstellern der Romantik abgelehnt. Von 1795 und 1848 wurden vor allem die Wissenschaftler von den Romantikern stark kritisiert; Die Wissenschaft würde alles mit dem Verstand erklären und alles nur auf den Nutzen untersuchen. Für die Romantiker hatte das Seelenleben der Menschen, das Magische und Mystische, das Übernatürliche und Wunderbare eine grosse Bedeutung.

Das Gedicht wird in der Romantik zu einem Ort und Instrument der Wahrheitsfindung. Die schwärmerische Beschreibung von Natur (Naturlyrik), Schönheit, Liebe und Sehnsucht ist ein wesentliches Kennzeichen der literarischen Epoche der Romantik. Die Erzählbewegung reicht vom Himmel und der Erde über Feld/Wald usw… bis ins Innere der Menschen.

Die Epoche der Romantik war nicht nur auf Dichtung beschränkt, auch in der Musik und der Malerei. In der romantischen Kunst steht das Erleben der Natur im Vordergrund. Themen der Malerei dieser Epoche sind wie in der Literatur Vergänglichkeit und Melancholie; gesucht werden das Dunkle, Verschwommene, Geheimnisvolle. Typisch sind Landschafts- und Märchenmotive.

Dienstag, 17. März 2015

Die Sehnsucht nach dem feuerfarbenen Lied des Meeres, das in der Stille des Lichts und der Liebe verborgen liegt.

Nach einer langen Zeit mit reichlichem Schulstress, komme ich jetzt endlich dazu meinem zweiten Blog-Post zu verfassen. In diesem kurzen Post werde ich meine gewählten Gedichte bekanntmachen, mit denen ich mich beschäftigen werde.

Ich habe ausgiebig gesucht und allerhand lyrische Stücke der Romantik gesammelt und gelesen. Zudem muss ich erwähnen, dass es einfach zu viele romantische Reime gibt, die mich faszinieren. Infolgedessen werde ich mich den (aus meiner Sicht) fünf besten Gedichten genauer widmen und ergänzend einen „extra Post“ erstellen. In dem werden dann zahlreiche Dichtungen der Romantik vorhanden sein, auf die ich nicht detaillierter eingehen werde.


Alle der vorgestellten Gedichte stammen aus der Epoche der Romantik, was einem unter anderem durch die starke Bildhaftigkeit auffällt, wenn man die magischen Verse überfliegt, die von Liebe, Melancholie und Sehnsucht handeln. Die romantische Poesie hat auch keine komplizierte Wortwahl nötig, um eine kunstreiche Atmosphäre zu erschaffen, dazu reichen eingängige Begriffe. Die Elemente des Naturreichs, die Beschreibung der Farben und des Lichts, lassen die lyrischen Kunstwerke wie eine malerische Traumwelt erscheinen, in der man von der ersten bis zur letzten Strophe gefangen ist - und genau das liebe ich an den Gedichten der Romantik.

Ebenso möchte ich mitteilen, dass ich einige meiner Gedichte bildlich darstellen werde (Ich versuche es zumindest). Da der schriftliche Teil – Metrum, Reimart etc. bestimmen, für mich schon herausfordernd genug ist, kann ich mich mit Zeichnen und Malen etwas persönlicher mit den Gedichten auseinandersetzen. Ebenfalls ist die Malerei auch ein bedeutender Teil dieser Epoche.

Hier sind sie nun, meine fünf romantischen Gedichte und auch mein Hauptgedicht, das im Vordergrund stehen wird:

Hauptgedicht: Sehnsucht ~ Joseph von Eichendorff (1788-1857)
Meeresstille ~ Joseph von Eichendorff (1788-1857)
Lied - Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling (1775-1854)
Feuerfarb ~ Sophie Mereau Brentano (1770-1806)
Licht und Liebe ~ August Wilhelm Schlegel (1767-1845)
Silentium! ~ Fjodor Iwanowitsch Tjutschew (1803-1873)

Quellen  der Gedichte folgen.
Alle in den Posts verwendeten Bilder stammen von mir.

Nun lasst euch von der romantischen Poesie und den Bildern verzaubern und in eine andere Epoche entführen…
Ausschnitt: Guardian of Life