a Es schienen so
golden die Sterne,
b Am Fenster ich
einsam stand
a Und hörte aus
weiter Ferne
b Ein Posthorn im
stillen Land.
c Das Herz mir im
Leib entbrennte,
d Da hab’ ich mir
heimlich gedacht:
c Ach, wer da
mitreisen könnte
d In der
prächtigen Sommernacht!
e Zwei junge
Gesellen gingen
f Vorüber am
Bergeshang,
e Ich hörte im
Wandern sie singen
f Die stille
Gegend entlang:
g Von
schwindelnden Felsenschlüften,
h Wo die Wälder
rauschen so sacht,
g Von Quellen, die
von den Klüften
h Sich stürzen in die
Waldesnacht.
i Sie sangen von
Marmorbildern,
j Von Gärten, die über
‘m Gestein
i In dämmernden
Lauben verwildern,
j Palästen im
Mondenschein,
k Wo die Mädchen
am Fenster lauschen,
l Wann der Lauten
Klang erwacht
k Und die Brunnen
verschlafen rauschen
l In der
prächtigen Sommernacht.
Joseph
von Eichendorff 1834
Kurzbiografie
Joseph
Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff…
...war
ein bekannter Dichter und Schriftsteller der deutschen Spätromantik. Er zählt
zu den meistvertonten deutschsprachigen Lyrikern. Lange Zeit wurden seine
Gedichte als harmlose Wanderburschenlieder, als oberflächliche Natur- und
Stimmungsbilder verpönt. Inzwischen weiss man, dass den immer kehrenden Bildern
von Wald und Heimat eine tiefere Bedeutung zukommt, dass sich hinter den
formelhaften Wendungen dieser Lyrik komplexe Symbole verbergen.
Joseph
von Eichendorff wurde am 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz in Oberschlesien
geboren. Als Sohn eines preussischen Offiziers, wuchs er in einer katholischen
Adelsfamilie auf. Er wurde bis zu seinem 13. Lebensjahr Privat unterrichtet.
Nachdem er drei Jahre lang das katholische Gymnasium besucht hatte, begann er
mit einem Jurastudium. 1808 reiste er nach Paris und Wien, in diesem Jahr
besuchte er auch die Vorlesung von Kleist, so lernte er andere Dichter und
Schriftsteller kennen.
Nach
seinem 2-jährigen Studium in Wien, nahm der an den Befreiungskriegen gegen
Napoleon (1813-1815) teil. Im April 1815 heiratete Eichendorff Luise von
Larisch in Breslau. Ein Jahr später trat er in den preussichen Staatsdienst als
Referendar. 1831 zog er mit seiner Familie nach Berlin und beschäftigte sich
mit verschiedenen Ministerien. 1844 ging er in Pension und fing an, sich der
Schriftstellerei hinzugeben. Am 26. November 1857 starb Eichendorff in Neisse,
infolge einer Lungenentzündung.
Eichendorf
gehört heute noch zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellern. Viele seiner
Gedichte wurden vertont und auch gesungen. Seine Novelle „Aus dem Leben eines
Taugenichts" gilt als Höhepunkt und als Ausklang der Romantik.
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Die blaue Blume als Symbol für Sehnsucht und Liebe von Marie (Dragon Fly) |
Die Sehnsucht nach der Ferne
Das
Gedicht Sehnsucht besteht aus drei Strophen zu je acht Versen und beinhaltet beschwingte Kreuzreime. Das Metrum ist eher unregelmässig; 3-hebige Daktylen herrschen vor.
Die Kadenzen wechseln regelmässig zwischen weiblich und männlich. Das Gedicht
entspricht der von den Romantikern bevorzugte Volksliedform.
Beim
Lesen des Gedichts taucht man in die symbolische Welt der Spätromantik (1834)
ein. Eichendorff stellt das Gedicht sehr bildhaft dar und verwendet eine
einfache typische Wortwahl der Romantik. Üblich sind dabei Nomen wie „Wandern“,
„Nacht“, „Wald“ und „Mondschein“. Die vielen Elemente aus der Natur, sollen
einem die Schönheit und die Friedlichkeit dieser märchenhaften Welt näher bringen. Adjektive
wie „still“, „heimlich“ oder „dämmernd“ verdeutlichen hingegen die bedrückte
Stimmung des lyrischen Ichs. Die einfache Sprache gibt dem Gedicht eine
volkstümliche Schlichtheit.
Wie
es auch schon im Titel steht handelt das Gedicht von einem typischen Symbol der
Romantik, nämlich von der Sehnsucht. Die Sehnsucht wird in vielen Werken der
Romantik mit dem Reisemotiv in Verbindung gebracht. Der Drang nach der Ferne
und das Reisen in den weiten Waldlandschaften oder den märchenhaften Park- und
Schlosslandschaften aus vergangenen Zeiten prägen die erste Strophe. Das lyrische
Ich sehnt sich nach der unbestimmten Entfernung der freien Natur, aber auch in
eine bessere Vergangenheit (jugendliche Freiheit und Ungebundenheit) zurück. Es
schwärmt geradezu von dem Reisen in der Sommernacht, als es einsam seinen Blick
aus dem Fenster wirft und dem Klang des Posthorns lauscht (Reisen mit
Postkutschen, symbolisiert durch das Posthorn in der Romantik). Die Sehnsucht
des lyrischen Ichs brennt, da es ihm unter bestimmten Umständen nicht möglich ist mitzureisen.
Die
Gesellen in Strophe zwei singen von Naturbildern (Felsenschlüften, Wäldern und
Quellen), sie wiederspiegeln die Abenteuerlust des lyrischen Ichs. Die
Enjambements (Vers 9, 11 und 15) sorgen für einen Zusammenhalt. Das Bild der
Nacht gibt dem ganzen etwas Mysteriöses und Magisches. Die
Dunkelheit der Nacht verbannt die Naturbeschreibungen ins Reich der Fantasie.
Die alten
Gärten, verwilderten Lauben und die vom Mondschein beglänzten Marmorbilder der
Paläste erwecken eine vergessene Naturlandschaft, die aus einer früheren
herbeigeträumten Zeit ist. Das antike Motiv des Marmorbilds könnte auch zur
Klassik gehören. Die Mädchen die am Fenster lauschen (Vers 21) bilden eine Verbindung zum lyrischen Ich, das einsam am Fenster steht und der Ferne lauscht.
Durch das wird das Gedicht in sich abgeschlossen. Durch die Motiv-Wiederholung
des Fensters wird die Sehnsucht des lyrischen Ichs nach der Liebe des Mädchens
und der Liebe im Allgemeinen verdeutlicht.
Das
Gedicht stammt aus dem Buch…
von Hartwig
Schultz
Joseph
von Eichendorff sämtliche Gedichte und Versepen, S. 260, 1. Auflage 2007