Schweige, verbirg dich und halte
deine Gefühle und Träume geheim,
lass sie in der Tiefe deiner Seele
lautlos auf~ und untergehen
wie Sterne in der Nacht;
erfreue dich an ihnen ~ und schweige.
Wie soll das Herz sich offenbaren?
Wie soll ein anderer dich verstehen?
Begreift er, wodurch du lebst?
Ein ausgesprochener Gedanke ist eine Lüge.
Wenn du die Quellen aufwühlst, trübst du sie;
zehre von ihnen ~ und schweige.
Verstehe, nur in dir selbst zu leben:
es gibt in deiner Seele eine ganze Welt
geheimnisvoll~zauberhafter Gedanken;
sie betäubt der äussere Lärm,
die Strahlen des Tages vertreiben sie;
lausche ihrem Gesang ~ und schweige!.....
Fjodor Iwanowitsch Tjutchev, 1830
Fёdor Ivanovič Tjutčev war ein russischer Lyriker der Romantik, Diplomat
in München und Turin, ab 1858 Vorsitzender der Zensurbehörde für ausländische
Literatur und Nachdichter deutscher und englischer Lyrik. Seine Gedichte sind
bekannt für Gedankentiefe und die Wärme des Gefühls.
Das Gedicht Silentium! wurde aus dem
russischen Original auf Deutsch übersetzt. Es besteht aus drei Strophen zu je
sechs Versen. In Deutsch ergibt sich kein bestimmtes Reimschema, das russische
Original weist Paarreime auf. Das Metrum ist unregelmässig: Unter anderem
4-hebige Daktylen (Vers 2), 4-hebige Trochäen (Vers 4) und 4-hebige Jamben
(Vers 6). Ebenfalls stellt das Gedicht drei Fragen an den Leser (Strophe 2, Vers 1,2,3)
Die Dichter in Russland waren in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht sehr beliebt. Sie wurden als Narren
bezeichnet, die sich den Kopf zerbrechen, um die normale Menschensprache um
jeden Preis in abgemessene Zeilen hineinzuzwängen, die sich auch noch reimen
müssen. Tjutchev schrieb seine Gedichte mehr für sich selbst.
Gründe seiner Scheu vor der Öffentlichkeit hat er selbst im Gedicht Silentium veranschaulicht...
Schweigen!
Die alleinige Auseinandersetzung mit der eigenen
innerlichen Empfindung steht in diesem Gedicht im Vordergrund. Während man
gegen aussen aufgefordert wird still zu sein und nichts zu fühlen, lässt einem
die innere Stimme in den eigenen Träumen schwelgen, die tief in der Seele verborgen
liegen (Strophe 1)
Es wird verdeutlicht dass man seine Emotionen
niemals einem anderen anvertrauen kann. Die Aussenwelt würde alles, was man ihr
preisgibt als Lüge empfinden. „Wenn du die Quellen aufwühlst, trübst du sie“ (Strophe
2, Vers 5), diese Aussage könnte auch bedeuten, dass wenn man bei dem Versuch sein
Inneres zu enthüllen es so verändert, sodass es gegen Aussen nichtmehr die Wahrheit
ist. Nur im eigenen Seelenleben behält es die Richtigkeit.
Die persönliche Seelenwelt ist die
wertvollste die uns zur Verfügung steht und wir müssen sie verstehen. Ihren Worten die sie uns zuflüstert müssen wir
selbst nichts mehr hinzufügen. Wir sollten einfach schweigen und lauschen…
Das Gedicht mag auf den ersten Blick melancholisch
oder sogar egoistisch wirken. Aber der Dichter stellt das innerliche Leben positiv
dar; es ist sogar etwas Faszinierendes. Dieses lyrische Stück zeigt, dass es
auch wichtig ist, sich von Zeit zu Zeit mit seiner inneren Persönlichkeit auseinanderzusetzen,
weil diese unseren Charakter ausmacht. Die Aussenwelt kann unsere Wesensart vielleicht
beeinflussen, aber auch täuschen.
Das Gedicht unterscheidet sich von den anderen,
indem es nicht nur schöne märchenhafte Landschaften oder die Sehnsucht nach der
Liebe beschreibt, es ist einzig auf die innere Schönheit bezogen. Diese Art von
Poesie ist für mich etwas ganz besonderes, weil ich ein sehr in mich gekehrter
Mensch bin.
Das Gedicht stammt von der Website...
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