Samstag, 16. Mai 2015

Meeresstille

a  Ich seh‘ von des Schiffes Rande
b  Tief in die Flut hinein:
a  Gebirge und grüne Lande
b  Und Trümmer im falben Schein
c  Und zackige Türme im Grunde,
d  Wie ich‘s oft im Traum mir gedacht,
c  Wie dämmert alles da unten
d  Als wie eine prächtige Nacht.

e  Seekönig auf seiner Warte
f  Sitzt in der Dämm‘rung tief,
e  Als ob er mit langem Barte
f  Über seiner Harfe schlief;
g  Da kommen und gehen die Schiffe
h  Darüber, er merkt es kaum,
g  Von seinem Korallenriffe
h  grüsst er sie wie im Traum. 

Joseph von Eichendorff, 1837

Das Gedicht Meeresstille besteht aus zwei Strophen mit je acht Versen. Das Metrum ist unregelmässig; vorwiegend 3-hebige Jamben und wechselnd männliche und weibliche Kadenzen. Die beschwingten Kreuzreime leiten durch die eher ruhige Umgebung dieses Gedichts.

Die Traumwelt im Meer

In der ersten Strophe fährt das verträumte lyrische Ich mit dem Schiff über das weite ruhige Meer, es wirft seinen Blick nach unten in die mysteriösen Tiefen des Wassers und erblickt eine märchenhafte, prächtige Unterwasserwelt, wie sie nur in der Fantasie des lyrischen Ichs existieren kann. Das lyrische Ich ist begeistert von dieser Welt und spürt die Neugier und Sehnsucht nach ihr und würde gerne dorthin flüchten, um der Realität zu entfliehen. Die Grösse des Meeres ist endlos. Zu dieser Zeit konnte man die geheimnisvollen, dunklen Tiefen dieses Gewässers noch nicht erforschen.

In der zweiten Strophe steht die Fantasiefigur, der „Seekönig“ im Mittelpunkt. Er befindet sich in der Tiefe des Meeres. Sein Unterwasserkönigreich ist von der Welt oberhalb des Meeresspiegels abgeschnitten und liegt verborgen in den stillen Wassern des unerforschten und unerreichbaren Meeresgrunds. Die Traumwelt in diesem Gedicht ist sehr friedlich und harmonisch, dass verdeutlicht das Symbol der Harfe (Strophe 2, Vers 4) die für Musik, Dichtkunst (Lyra >Lyrik) und Harmonie steht. Der „Seekönig“ sitzt gelassen im Korallenriff und bemerkt in der Stille des Meeres kaum die Schiffe, die über ihm vorbeiziehen.


Das Gedicht stammt aus dem Buch...
Joseph von Eichendorff Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Band 1 Gedichte, S. 371, Stuttgart

2 Kommentare:

  1. Man merkt, dass du die Gedichte gewählt hast und sie dir gefallen.
    Du besitzt den passenden Wortschatz für dein Thema und gestaltest deine Texte sehr lesefreundlich und spannend.
    Bilder würden die Gestaltung vlt. ein bisschen übersichtlicher und spannender erscheinen lassen, jedoch wüsste ich nicht was mahn hier für Bilder wählen könnte.

    Sehr schöner Blog.

    Freundliche Grüsse

    Timo Schefer

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  2. Hi Timo
    Danke für deinen positiven Kommentar!

    LG Marie

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